~*Diary*~
Hier möchte ich Euch in einer Art Tagebuch von der Krankheit meiner Oma erzählen. Natürlich ist es nicht in Tagform geschrieben sondern in einer Art Zeitraffer!
Ich weiß heute nicht mehr den Tag und die Jahreszeit, ich weiß nur noch wir haben im Esszimmer gesessen als meine Oma mir erzählte sie wäre beim Arzt gewesen und der hätte festgestellt, dass sie Krebs hat.
Natürlich war ich im ersten Moment total geschockt und für einige Sekunden ist mir vor Angst das Herz bis in die Füße gerutscht, denn ich kannte diese Krankheit nur als eine schlimme und gefährliche Krankheit, die irgendwann zum Tod führt.
Meine Oma hat mir aber dann schnell die Angst genommen und mir gesagt, dass sie Medikamente nehmen würde und gegebenenfalls operiert werden müßte. Sollte dann immer noch etwas von dem Tumor übrig sein, dann müßte man diesen Rest mit Chemotherapie entfernen.
Jetzt war ich ersteinmal ein bisschen beruhig, denn ich glaubte, dass meine Oma nach der eventuellen Operation oder Chemotherapie keine Probleme mehr hatte.
So kam sie dann auch nach einiger Zeit ins Krankenhaus und wurde operiert. Nachdem der Tumor entfernt war und einige Zeit vergangen, mußte sie dann auch noch wie befürchtet eine Chemotherapie über sich ergehen lassen. Das heißt nicht nur eine sondern mehrere. Diese Therapien machten ihr sehr zu schaffen. Ihr war nachher immer ziemlich schlecht und übel und sie war dann die ersten Tage richtig schlapp.
Doch meine Oma ließ sich nicht hängen, im Gegenteil. Wenige Tage später stand sie wieder hinterm Herd und kochte für uns alle.
Nach den Therapien verlor sie langsam aber stetig ihre Haare und so besorgte sie sich eine Perücke, die ihrem Echthaar sehr ähnelte.
Schließlich wurde der Tomor glücklicher Weise durch die Therapien kleiner und so brauchte sie einige Zeit keine Chemo mehr.
Doch leider hielt dieser Zustand nicht lange an, denn wenige Monate später wurde bei einer ihrer regelmäßigen und notwendigen Kontrolluntersuchungen festgestellt, dass der Tumor wieder etwas gewachsen sei und man wieder eine leichte Chemoanwendung machen mußte.
Wieder ließ meine Oma geduldig die Qualen über sich ergehen und käpfte gegen die scheußlichen Nebenwirkungen der Therapie. Schließlich mußte sie irgendwann wieder ins Krankenhaus, da ein anderes Körperteil von diesem Krebs befallen war und davon befreit werden mußte.
Anschließend hatte sie dann wieder für einige Wochen Ruhe. Doch auch diesmal ließ die schlechte Nachricht nicht lange auf sich warten. Meine Oma hatte Steukrebs. Das bedeutet, dass der Krebs sich im Körper verteilt hat und nicht mehr nur an einem Körperteil sitzt sondern nahezu überall.
Zu diesem Zeitpunkt wußte meine Oma, dass sie von nun an immer wieder diese Chemotherapien ertragen mußte, denn einen Tumor entfernen konnte man nun nicht mehr.
Wieder vergingen so Tage, Wochen und Monate und mittlerweile auch Jahre, in denen sie tapfer gegen die Krankheit ankämpte und fest entschlossen war sie zu besiegen.
Leider ist es sehr schwer den Krebs zu besiegen und wenn er sich erst einmal verstreut hat, dann hat man kaum mehr eine Chance. Meine Oma lebte mittelerweile mit nur noch einer Niere, einer vom Krebs befreiten Brust, die nun um ein Stück kleiner war als die andere und schließlich auch noch mit einem Seitenausgang. Das bedeutet, dass sie von nun an nicht mehr ihr Geschäft auf der Toilette erledigen konnte, sondern es in einem Beutel, der an diesem Seitenausgang am Bauch befestigt war, sammelte. Das hieß natürlich auch, dass von nun an immer Krankenpfleger kommen mußten um diesen Beutel zu erneuern und den Ausgang medizinisch zu säubern und zu pflegen.
Natürlich war das am Anfang ungewohnt und komisch aber nach kurzer Zeit hatten wir uns alle daran gewöhnt und sahen es als normal und dazugehörig an. Was hieß es auch schon, die Hauptsache war doch, dass es meiner Oma damit einigermaßen besser ging und dass sie lebte.
Alles andere waren ohnehin nur Äußerlichkeiten. Zudem konnte sie nach wie vor auf Feste und Veranstaltungen gehen, denn von diesem Seitenausgang und dem Beutel konnte man nichts sehen, wenn sie angezogen war.
Später konnte sie ihn auch selbst leeren und erneuern und die Krankenpfleger kamen teilweise nur noch zur Wundenpflege.
Meine Oma ließ sich von all dem nicht unterkriegen, doch eines Tages fing es dann an schlimmer zu werden. Sie mußte wieder ins Krankenhaus und wurde wieder einige Tage untersucht, bekam Tabletten und konnte wieder nach Hause.
Sie kam dann plötzlich öfter ins Krankenhaus, hatte nachher auch oft Luftprobleme. All das kam von dem Krebs und waren die Folgen daraus. Leider ist es nicht einfach diese Krankheit zu besiegen und meine Oma hatte sich bisher wirklich mehr als tapfer gehalten. Manmal haben wir uns gefrag, wie sie das nur aushält aber scheinbar war sie eine Kämpfernatur. Sie hat nie geklagt oder gejammert. Sie hat höchstens erzählt und auf Fragen geantwortet.
Jedenfalls wurde ihr Zustand nach vielen Monaten und einigen Jahren auf einmal schlechter und man sah, wie sie sich veränderte. Sie nahm immer mehr ab, konnte nur noch wenig essen und wurde zusehens schlapper.
Immer öfter mußte sie zum Arzt und zur Chemotherapie und manchmal auch ins Krankenhaus. Der Notarztwagen stand einige Male bei uns vor dem Haus und ich hatte panische Angst um meine Oma.
Schon früher war öfter mal der Notarzt bei uns wegen meinem Opa, der hatte mir Herzinfarkten zu tun, bis er schließlich einige Herzkateder bekam und mit einem kleinen Fläschen, bzw. dem Inhalt, einem Herzinfarkt vorbeugen kann. Sobald er etwas spürt, sprüht er sich damit einige Male in den Mund und dann geht das Ziehen im Arm und der eventuell aufkommende Herzinfarkt wieder weg.
Nun ja, meiner Oma ging es wie gesagt irgendwann immer schlechter und ich machte mir große Sorgen um sie. Ich hatte schreckliche Angst, dass nachts der Notarztwagen einmal zu spät kam oder dass wenn sie im Krankenhaus lag nachts ein Anruf kam und man uns sagte sie sei für immer eingeschlafen. Das war meine größte Angst und ich machte irgendwann im Laufe meiner Verhaltenstherapie wegen "Platzangst" auch dieses Thema zu einem Gesprächsstoff. Durch diese Gespräche versuchte ich mit meinem Therapeuten Lösungen gegen diese Angst zu finden oder Wege um damit besser klarzukommen.
Den Winterurlaub, den ich mit meinem frischverlobten Freund verbrachte konnte ich nicht so richtig genießen. Immer waren da die Gedanken an meine Oma und die ständige Sorge, dass etwas passieren könnte, während wir in Urlaub sind.
Wir hatten uns Silvester verlobt, während einem Abendessen bei meiner Oma und meinem Opa. Wir haben den Abend bei ihnen verbracht, da meine Eltern nicht zu Hause waren und wir ja auch sonst nirgendwo hätten hingehen können, da wir am Neujahrstag in Urlaub fahren wollten.
Wir waren dort in Urlaub, wo meine Großeltern jahrelang ihren Sommerurlaub verbrachten, nämlich in Füssen und ich habe mir nachher Vorwürfe gemacht, ob ich überhaupt oft genug angerufen habe. Ich weiß es nicht mehr. Jedenfalls hatte ich ständig Leibschmerzen, die ich nicht einordnen konnte und heute denke ich, dass sie von der Angst kamen.
Weder mein Frauenarzt noch ein Urologe konnten etwas feststellen und somit mußte ich weiter mit diesem undefinierbaren "Schmerzen" leben.
So vergingen noch einige Wochen und Monate und meine Oma war in der glücklichen Lage noch Karneval "feiern" zu können. Sie hatte immer großen Spass daran und einmal bin ich sogar mit ihr zusammen als Clown in einem Zug mitgegangen, das werde ich nicht vergessen! Es hat geregnet fast wie aus Eimern aber es war trotzdem schön!!!
Meine Oma war noch immer entschlossen weiter zu kämpfen und verlegte eine Chemotherapie wegen einer Karnevalssitzung mit den ungefähren Worten:
"Herr Doktor wenn es so schlimm aussieht, dass ich die Therapie nicht mehr verschieben kann, dann hat es doch ohnehin keinen Zweck mehr oder?"
Der Doktor lächelte wohl und sagte, doch natürlich können wir ihn verschieben, gehen sie ruhig zu der Sitzung.
Ich denke, dass der Doktor zu diesem Zeitpunkt bereits wußte oder zumindetst ahnte, dass es die letzte Karnevalssitzung sei, die meine Oma sehen konnte. Vielleicht wusste oder ahnte meine Oma das ja auch selbst!?
Den darauffolgenden Osterurlaub verbrachte ich wieder mit großem Unwohlsein. Meine Oma war im Krankenhaus und es ging ihr nicht sonderlich gut. Ich hatte ständig Angst, es könnte ihr etwas schlimmes passieren und so rief ich jeden Tag bei ihr im Krankenhaus an um mit ihr zu reden und zu hören, wie es ihr ging.
Sie sagte zwar immer gut oder es geht so einigermaßen aber ich spürte, dass dem nicht so war und dass machte mich noch beunruhigter.
Nach dem Urlaub bin ich zu ihr gegangen und habe ihr etwas zu Ostern mitgebracht aber irgendwie konnte sie sich nicht wie sonst so richtig darüber freuen! Sie lag in einem Einzelzimmer und das machte mich schon stutzig. Normalerweise liegen in diesem Zimmer schwer kranke Menschen, die vielleicht bald sterben werden.
Meine Oma wusste das auch und erwähnte es auch mit einem gespielten Lächeln. Sie tat so als glaubte sie noch immer fest daran wieder gesund zu werden und sprach vom "Wenn ich wieder Zuhause bin"! Mein Opa hatte mit dem Arzt gesprochen und der meinte, man könnte nichts mehr machen als hoffen und warten. Sie müßte Chemotherapien gegen den Krebs haben, denn der wuchs stetig weiter. Aber der Körper war nicht mehr dazu in der Lage. Sie brauchte Bluttransfusionen und Sauerstoff durch die Nase und konnte kaum mehr gehen. Nur wenige Schritte und sie bekam keine Luft mehr. Wenn sie noch eimal nach Hause kam, dann war sie ein Pflegefall. Wir alle wünschten uns das natürlich irgendwo aber hofften immer noch auf ein Wunder, dass sie vielleicht wieder zu Kräften kam.
Am nächsten Wochenende bekam sie samstags eine Art Wundermittel, von dem es ihr viel besser ging. Sie war plötzlich gedanklich top fit. Konnte eine Rechenfrage schneller und auch richtig beantworten wie mein Opa und ich. Mein Opa sagte leise, das ist wieder unsere Oma. Ich muß zugeben ich hatte so sehr gehofft, das Medikament wäre ihre Rettung und ich glaube sie selbst hatte das auch irgendwie. Jedenfalls sah es nach außen hin so aus. Sie sprach mit mir nie über ihre Ängst und Gedanken.
Eines Tages, ich glaube es war sogar vor dem Wundermittel, da sagte sie zu einem Arzt der sie fragte ob er noch etwas für sie tun könnte, "Ja, machen sie mich wieder gesund!" Der Arzt habe daraufhin nur leicht mit dem Kopf geschüttelt und gesagt, das kann ich nicht Frau F., dazu ist der Krebs zu weit verbreitet. Für meine Oma muß das ein Schock gewesen sein, denn an diesem Tag kamen auch mein Freund und ich sie besuchen und wunderten uns, dass sie kein Wort sprach und nur so da lag und uns mit großen Augen ansah. Sie sagte nach 15 Minuten, ihr geht besser, hat ja keinen Zweck hier die Zeit abzusitzen.
Später wusste ich warum. Es muß ein furchtbarer Schock gewesen sein und ich weiß nicht, was ihr so alles durch den Kopf gegangen ist. Die vielen Besucher, die sie vielleicht bewusst zum letzten Mal gesehen hat und die Angst vielleicht auch uns zum letzten Mal zu sehen.
Jedenfalls war sie an dem Wochenende ziemlich gut dabei, was wir diesem Wundermittel zusprachen und wieder zu hoffen begannen. Sonntags war es nicht mehr so gut wie samstags aber wir waren diese Hochs und Tiefs ja gewohnt und hofften natürlich weiter.
Ich verabschiedete mich wie immer mit einem Küsschen auf die Wange und einem Händedruck von meiner Oma, der mir irgendwie stärker und für sekunden länger vorkam als sonst. Ich sah mich noch einmal um und winkte ihr und sie lächelte mühevoll zurück und dann schloss ich die Tür.
Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass es das letzte Mal war, dass ich meine Oma lebend bzw. sie bei ihrem vollen Bewußtsein sehen und mit ihr sprechen konnte.
Mein Opa hatte die letzte Nacht auf Wunsch meiner Oma bei ihr im Krankenhaus verbracht und ich denke, sie dachte an diesem Abend sterben zu müssen. Morgens fragte ich ihn was los war und er sagte mir nur, dass meine Oma wollte, dass er bei ihr schlief und er wahrscheinlich die nächste Nacht wieder dort verbringen würde.
Die vergangene Nacht war für mich die wahrscheinlich schlimmste Nacht. Ich hatte so schreckliche Angst dass mein Opa anrief und sagte, sie sei eingeschlafen für immer, dass ich kaum schlafen konnte und total aufgeregt und nervös war.
Der kommende Arbeitstag war dementsprechen. Ich war schon wieder ständig mit den Gedanken bei meiner Oma und überlegte den ganzen Tag wie es ihr wohl gerade geht.
Es war gegen 15:30 Uhr glaube ich als meine Mutter mich anrief und sagte ich müsse jetzt ganz stark sein. Der Oma ging es nicht gut und wenn ich sie noch einmal sehen wollte, dann müßte ich jetzt kommen.
Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Obwohl ich und wir alle immer damit gerechnet hatten kam es jetzt sehr plötzlich und ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich war hin- und hergerissen und fragte meine Eltern mehrmals wie sie dalag, denn sie war schon ganz weit weg und sah uns schon nicht mehr. Sie sagten mir, dass sie ganz friedlich daliege, die Augen zu hatte als ob sie schlafen würde.
Unter Tränen rief ich meinen Freund an und bat ihn mich abholen zu kommen, denn selbst fahren, dass wollte ich nicht mehr. Dazu fühlte ich mich nicht in der Lage. Es war die Situation vor der ich mich immer gefürchtet hatte und nun war sie da. Ich fühlte mich hilflos und überfordert. Ich fragte eine Kollegin ob ich sie sehen sollte oder nicht und sie sagte "ja"!
So fuhr ich mit meinem Freund ins Krankenhaus, ging zu Fuß bis ins 11. Stockwerk und wurde von meinem Eltern erwartet. Sie standen vor dem Zimmer, in dem meine Oma lag und mein Opa saß vor ihrem Bett. Weinend ging ich in das Zimmer und setzte mich an ihr Bett. Ich nahm ihre Hand und hielt sie einige Zeit lang fest. Ein Arzt kam und versuchte sie wach zu machen aber sie war wie gesagt schon ganz weit weg. Sie hatte viel Morphium bekommen gegen die Schmerzen, dass war alles, was man noch für sie tun konnte. Ich gab ihr dann noch einen letzten Kuss und sagte ihr, dass ich sie lieb hatte und ging dann unter Tränen aus dem Zimmer.
Mein Opa sagte ebenfalls unter Tränen: "Lass uns froh sein, dass wir so eine starke Oma hatten!"
Und damit hatte er Recht. Sie hatte lange lange gekämpf, wo manch ein anderer schon aufgegeben hätte und das werden wir unserer geliebten Oma nie vergessen!!!
Vielen Dank liebe Oma für Deine unendliche Kraft und Willensstärke!!!
Wir werden Dich niemals vergessen!!!
*crystalangel* im Namen von uns allen!!!